Wenn man in die Geschichte des Buchdrucks eintauchen möchte, sollte man unbedingt auch einen Blick in die Zeit davor werfen. Nur so lässt sich erahnen, was für ein enormer Schritt damals vollzogen wurde. Für die Menschen muss es sich ähnlich angefühlt haben, wie einige Jahrhunderte später der Sprung ins Industrie- oder aktuell ins Internetzeitalter.
Das Buch im Regal, für uns eine lieb gewordene Selbstverständlichkeit, war bis zum 15. Jahrhundert etwas Außergewöhnliches, oft mehr ein Kunstwerk als auf Papier festgehaltene Worte. Der bereits Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung verbreitete Vorläufer der späteren Buchform, die Papyrusrolle, wurde von Hand vervielfältigt.
Das Ergebnis blieb allerdings nur einer kleinen Zahl von privilegierten Menschen vorbehalten, die entsprechend zahlungskräftig und des Lesens mächtig waren. Die Arbeiten Ciceros (3.1.106 v. Chr. bis 7.12.43 vor Christus), Mitbegründer der klassischen Rhetorik und der wohl berühmteste Redner des antiken römischen Reichs, wurden bereits in größeren Auflagen verlegt.
Doch auch, wenn die Buchkunst im Laufe der Zeit immer raffinierter und anspruchsvoller wurde, blieb sie aufgrund der begrenzten Vervielfältigungsmöglichkeiten lange Zeit nur einer kleinen Schicht zugänglich. Bücher waren noch keine Produkte für den Alltag.
Bis weit in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts waren die Klöster die Bewahrer des Wissens und der Bücher. Das hatte einen guten Grund, denn während Bildung an den Fürstenhöfen keine große Rolle und im gemeinen Volk gar keine Rolle spielte, waren Mönche angehalten, regelmäßig die Heilige Schrift zu studieren.
Lesen und Schreiben zu können, verstand sich für die Mönche daher von selbst. Damit waren sie bestens dazu geeignet, die in den Klosterbibliotheken gelagerten kostbaren Handschriften in mühevoller Handarbeit zu kopieren und z. B. anderen Klöstern zugänglich zu machen.
Wie aufwendig das gewesen sein muss, kann man daran ermessen, dass ein Mönch pro Jahr höchstens vier Kopien eines Buches herstellen konnte. Eine Abschrift der Bibel dauerte ungleich länger, zumal die reichhaltigen und farbenprächtigen Illustrationen noch aufwendiger waren als die Abschrift der Texte. Das war Druckkunst im wahren Sinne des Wortes und ein kultureller Gewinn für die Menschheit.
Beides geschah im sogenannten Skriptorium, der Schreibstube, die neben der Bibliothek zu den wichtigsten Orten eines Klosters gehörte. Einige Klöster hatten die Buchherstellung perfektioniert. Zahlreiche Mönche waren hier jeden Tag parallel damit beschäftigt, immer neue Kopien herzustellen.
Einige davon sind echte Meisterwerke und entsprechend wertvoll. Schon damals waren besonders aufwendig gestaltete Exemplare ein kostbares Gut.
Doch das in den Klöstern gebündelte Wissen war auch noch aus einem anderen Grund so begehrt. Schon damals galt: Wissen ist Macht!
Das 15. Jahrhundert markiert den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. In Europa herrschte Aufbruchstimmung.
Die großen Seefahrernationen Spanien und Portugal wetteiferten bei der Entdeckung der Welt. Kolumbus hatte, ohne es zu wissen, den amerikanischen Kontinent erreicht.
Die Reformbewegung erschütterte die Kirche in ihren Grundfesten. Aufkommende humanistische Ideale und Ideen prallten auf Inquisitionsprozesse.
Es war eine unruhige Zeit, in die ein Mann geboren wurde, den man später Johannes Gutenberg nennen sollte und unter dem ihn die Welt bis heute kennt. Sein richtiger Name war Johannes Gensfleisch.
Wo genau er um das Jahr 1400 geboren wurde, weiß man nicht. Einiges deutet darauf hin, dass der unruhige Geist ausgangs des Mittelalters in Mainz das Licht der Welt erblickt hat. So gibt es zumindest die Online-Plattform Wikipedia an. Wirklich gesichert ist das nach Ansicht von Historikern allerdings nicht.
Überhaupt weiß man wenig über ihn, abgesehen von den wenigen amtlichen Dokumenten, in denen er aufgeführt wird. Nicht einmal das exakte Geburtsdatum von Johannes Gutenberg ist bekannt. Die Angaben liegen um einige Jahre auseinander.
Dass sein Name dennoch in die Geschichtsbücher eingegangen ist, liegt einzig an seiner Erfindung, die ihm mit einem Schlag alle Aufmerksamkeit sicherte, die Erfindung des modernen Buchdruck-Verfahrens.
Moderner Buchdruck, der Begriff ist wichtig. Denn bereits vor Johannes Gutenberg existierten andere Formen des Buchdrucks. Was die Erfindung von Johannes Gutenberg davon unterschied, war der Buchdruck mit beweglichen Lettern. Der einzelne Buchstabe wurde zum Gamechanger. Lettern sind Drucktypen, die das spiegelverkehrte Bild des jeweiligen Schriftzeichens tragen.
Im Vergleich zu früheren Formen des Buchdrucks, z. B. dem Holzdruck, war der Einsatz von beweglichen Lettern ein Quantensprung. Die bei diesen Formen des Buchdrucks mühsam angefertigte Matrize konnte nur für diesen einen Zweck verwendet werden.
Wie der Einsatz von beweglichen Lettern und damit die bahnbrechende Erfindung von Johannes Gutenberg den Buchdruck revolutionierte, davon später mehr.
Wann dem Erfinder des modernen Buchdrucks die Idee gekommen ist, lässt sich heute nur noch bruchstückhaft rekonstruieren. Es gibt Hinweise darauf, dass Johannes Gutenberg bereits während seines mehrjährigen Aufenthalts in Straßburg mit einer Druckerpresse und Materialien, die für den Buchdruck geeignet waren, gearbeitet hat.
Zudem war dem gelernten Goldschmied der Buchdruck nicht fremd. Gemeinsam mit anderen Bürgern hatte er bereits zuvor „Wallfahrtsspiegel“ hergestellt. Doch ihre Marktreife erreichte die Erfindung von Johannes Gutenberg wohl erst in Mainz. Dort hatte sich der Herr über Lettern und Druckfarbe um 1445 niedergelassen.
Mit geliehenem Geld gründete er in Mainz, als eine Art frühneuzeitliches Start-up, eine Druckerei. Auch einen Mitarbeiter leistete er sich, um die Erfindung des Buchdrucks zum Abschluss zu bringen.
Zwischen 1452 und 1454 entstand in dieser Druckerei das Meisterwerk von Johannes Gutenberg, die sogenannte Gutenberg-Bibel. Rund 180 Exemplare wurden mit den beweglichen Lettern gedruckt. Wir erinnern uns, dass ein Mönch vor Erfindung des Buchdrucks in diesem Zeitraum vielleicht zwei oder drei Exemplare hätte herstellen können.
Auch heute noch gibt es weltweit rund 49 Exemplare der Gutenberg-Bibel, die der Erfinder des Buchdrucks noch selbst mit seinem neuen Druckverfahren hergestellt hat. Zwei davon haben ihre Heimat im Gutenberg-Museum in Mainz gefunden.
Die Möglichkeiten, die sich durch die Erfindung von Johannes Gutenberg und seinen Lettern für den Buchdruck eröffneten, waren gewaltig. Als erster Drucker der Geschichte, der den Buchdruck mit beweglichen Lettern in Kombination mit weiteren Umwälzungen einführte und damit eine neue Epoche einläutete, gelang es ihm mit seiner Erfindung, den Buchdruck weitaus effizienter und schneller durchzuführen als jemals zuvor.
Tatsächlich hatte es auch in China und Korea bereits Bemühungen mit beweglichen Lettern gegeben. Doch erst zusammen mit dem von Gutenberg entwickelten Handgießinstrument und der Druckerpresse waren die Weichen für den Buchdruck gestellt, der in den folgenden Jahrhunderten bei Büchern eingesetzt werden konnte.
Gutenberg gelang es sogar, seinen Lettern die Anmutung von Schreibschrift zu geben.
Dank des modernen Buchdrucks mit Gutenbergs Lettern lassen sich Schriften und Nachrichten blitzschnell zu Papier bringen und verbreiten. Seine Erfindungen haben bereits im 15. Jahrhundert für Aufregung gesorgt. Denn das gefiel natürlich nicht jedem. In den Klöstern fürchtete man, durch die Erfindungen von Gutenberg die Hoheit über das Wissen zu verlieren.
Ob der Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern mit seiner Erfindung so richtig glücklich geworden ist, kann man übrigens auch nur mutmaßen. Wahrscheinlich nicht. Im Anschluss an die Bibel werden mithilfe seines Buchdruck-Verfahrens zwar noch Ablassbriefe für Papst Calixt III. gedruckt. Doch über Gutenberg ziehen sich 1455 bereits dunkle Wolken zusammen.
In dem Jahr strengt sein Geldgeber Johannes Fust einen Prozess gegen Gutenberg an. Der Ausgang ist zwar mangels konkreter Nachrichten zu dem Verfahren nicht ganz klar. Doch auf der Seite des Gutenberg Museums ist zu lesen, dass Gutenberg im Zuge des Rechtsstreits wohl „den gesamten Bibeldruck sowie große Teile seiner Druckerwerkstatt“ verloren hat.
Für Johannes Gutenberg, den Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern muss das ein herber Schlag gewesen sein. Zwar soll Gutenberg später erneut eine Druckerei eröffnet haben, doch seine Spur verliert sich weitgehend im Dunkel der Geschichte. Sogar um sein Todesdatum ranken sich Spekulationen. Das Gutenberg-Museum gibt den 3. Februar 1468 an und hält noch eine weitere Information aus alten Schriften über Gutenbergs letzte Lebensjahre bereit. So soll der Drucker, der mit seinen Erfindungen, den Buchdruck und die Welt verändert hat, gut versorgt gewesen sein. Der Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau gewährte ihm „bis an sein Lebensende neben großzügigen Wein-, Getreide- und Kleiderspenden die Freiheit von den Steuern und Diensten, welche die Bürger der Stadt dem Kurfürsten üblicherweise zu leisten haben“.
1405 Der Stadtrat von Frankfurt bezieht auf dem Römerberg im „Römer“ sein neues Rathaus.
1409 Die Universität Leipzig wird gegründet.
1414 In Konstanz findet das Konzil statt, auf dem das „Abendländische Schisma“ beendet wird.
1415 Der Kirchenreformer Jan Hus wird als Ketzer verbrannt
1422 Peking wird zur neuen Hauptstadt des Reichs der Mitte. In der „Verbotenen Stadt“ entsteht der Kaiserpalast.
1427 In der Florentiner Kirche Santa Maria Novella wird das Fresko der Heiligen Dreifaltigkeit vollendet.
1429 Orléans wird durch Jeanne d`Arc und ihrem Heer von den Engländern befreit.
1434 In Florenz gelangt Cosimo de´ Medici an die Macht.
1452 In Rom wird zum letzten Mal ein Kaiser gekrönt.
1453 Die Osmanen erobern Konstantinopel, die Hauptstadt des Byzantinischen Kaiserreichs, und nennen die Stadt Istanbul.
Mit der Einführung des modernen Buchdrucks setzte eine Entwicklung ein, die die Welt veränderte. Rasch entwickelten sich große Druckereien. Das Setzen geschah zwar noch von Hand, denn bis zur Entwicklung der Setzmaschinen verging noch eine Weile, doch in den Buchdruck kam Bewegung.
Der 1483 in Eisleben geborene Martin Luther machte sich diese Entwicklung ganz besonders zunutze. Das Papier mit seinen 95 Thesen, das er 1517 einem Brief an den Erzbischof von Mainz beilegte, schrieb er zwar noch in seiner Schrift. Doch im weiteren Verlauf seines Lebens nahm der Druck und insbesondere der Buchdruck eine wesentliche Rolle ein.
Es ist durchaus möglich, dass ohne die erst wenige Jahrzehnte zuvor durch Gutenberg ermöglichte Drucktechnik eine derart schnelle Verbreitung seiner Ideen nicht hätte stattfinden können. Auch das beste Buch braucht Leser, um seine volle Wirkung entfalten zu können. Die fand Luther vor allem mit der nach ihm benannten Luther-Bibel, die neben der Gutenberg Bibel und der zweibändigen Biblia latina zu den prägenden Meisterwerken dieser Zeit zählt.
Im Vergleich zu den 180 Exemplaren der Gutenberg-Bibel war die Luther-Bibel mit einer Startauflage von 3.000 Exemplaren bereits ein echter Bestseller. Alle Bibeln waren nach wenigen Monaten vergriffen und mussten noch im gleichen Jahr, 1522, in einer zweiten Auflage nachgedruckt werden. Zum Erfolg beigetragen hatte wohl auch, dass Luther die Bibel, anders als Gutenberg, nicht in lateinischer Sprache zu Papier gebracht hatte, sondern in einer deutschen Übersetzung. Lehrer griffen daher für ihren Unterricht gerne auf sein Werk zurück.
Für die Bedeutung, die diese frühen Werke bis heute haben, spricht auch der Preis, den ein Exemplar der Biblia latina vor einigen Jahren bei einer Auktion erzielte. Mehr als 1 Million Euro war dieser gedruckte Schatz seinem neuen Besitzer wert.
In den nachfolgenden Jahrhunderten erlebte der Buchdruck einige Höhen und Tiefen. Das Druckverfahren ermöglichte zwar einen schnellen Druck, doch darauf konnten viele Menschen z. B. während des Dreißigjährigen Krieges wohl gut und gerne verzichten. Sie hatten andere Sorgen. Wahrscheinlich hat auch die Bildung in derartigen Krisenzeiten keine besondere Rolle gespielt, obwohl diese mit der Neuzeit zunehmend an Bedeutung gewann.
Doch Kriege gehen vorbei, und der Buchdruck konnte seine Geschichte des Erfolgs fortsetzen. Weitere Druckverfahren ermöglichten die Verbreitung von immer mehr Publikationen. Zeitungen und Zeitschriften eroberten sich ihren Markt. Informationen wurden nicht mehr nur unter der Hand weitergereicht, sondern fanden innerhalb kürzester Zeit eine großflächige Verbreitung.
Ohne den Buchdruck und immer neue Druckverfahren würde unser Leben möglicherweise heute nicht so aussehen, wie wir es gewohnt sind. Die flächendeckende Verbreitung zahlreicher Angebote zur Bildung bereitete den Boden für unseren Wohlstand.
Die Bedeutung einzelner Begebenheiten erschließt sich oft erst im Rückblick. Sicher hat Gutenberg damals in Mainz nicht im Traum daran gedacht, mit seinem neuen Druckverfahren den Lauf der Geschichte zu beeinflussen. Zumal er nicht mehr miterleben konnte, welche Rolle der Buchdruck für die Verbreitung des Reformationsgedankens nur wenige Jahrzehnte nach seinem Tod gespielt hat. Das Buch wurde zum meinungsbildenden Massenmedium dieser Zeit. Zum einzigen noch dazu.
Die Möglichkeit, breite Bevölkerungsschichten zu erreichen, brachte ganz neue Literaturformen hervor. Im 18. Jahrhundert feierte der Roman seine ersten großen Erfolge. Das wiederum wirkte sich auf die Bereitschaft der Verleger aus, Geld in die Gestaltung und neue Techniken zu investieren.
Im 19. Jahrhundert erlebte der Buchdruck eine weitere Blütezeit. Technologische Weiterentwicklungen wie die Rollenrotationsmaschine bedeuteten das Ende der von Gutenberg eingeläuteten Epoche. Die Produktionskosten für Bücher und Zeitschriften konnten dadurch noch einmal deutlich gesenkt und somit noch größere Leserkreise erschlossen werden. Das war der Startschuss für den Siegeszug der Unterhaltungsliteratur und Zeitungen in Massenauflagen.